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Kunsthandel in Berlin 1933-1945

10.04.2011 – 31.07.2011

Christine Fischer-Defoy

Vom Bosporus an die Spree

Mit der Entwicklung Berlins zur Großstadt im 19. Jahrhundert ließen sich immer mehr Juden in Berlin nieder. Zum überwiegenden Teil stammten sie aus Gebieten jenseits der Oder: aus den preußischen Ländern, aus Polen und aus Russland. Seit 1890 waren unter den Zuwanderern auch Juden, die aus dem Osmanischen Reich stammten, die meisten von ihnen aus der späteren Türkei. Deutschland und die Türkei unterhielten gute politische und wirtschaftliche Beziehungen und beide Länder förderten gegenseitige Migration.

Um 1920 lebten ungefähr 500 Juden türkischer Staatsangehörigkeit in Berlin: Schon 1911 hatten sie ihre eigene Synagoge gegründet, in der Gottesdienste in der Tradition der ursprünglich aus Spanien stammenden Juden abgehalten wurden.

Die Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum geht in der Kabinettausstellung ausgesuchten Lebenswegen von jüdischen Türken in Berlin nach. Die Suche ist schwierig und die Ergebnisse sind oft nur bruchstückhaft.

Wir wissen, dass mehr als 100 Mitglieder des im Jahre 1905 entstandenen Israelitisch-Sephardischen Vereins zu Berlin, zu dem auch die Synagoge gehörte, während der Zeit des Nationalsozialismus ermordet wurden. Die Überlebenden der Schoa zogen nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges überwiegend nach Israel oder nach Frankreich. Seit April 2006 gibt es unter dem Dach der Jüdischen Gemeinde zu Berlin wieder eine Synagoge, in der nach sefardisch-jüdischer Tradition gebetet wird.

Christine Fischer-Defoy

Das Leben türkisch-jüdischer Familien in Berlin

Seit Mitte der 1920er Jahre intensivierten sich die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen dem Deutschen Reich und der im Oktober 1923 von Mustafa Kemal Atatürk ausgerufenen Republik Türkei. 1933 lebten 1673 türkische Staatsangehörige auf dem Gebiet des Deutschen Reiches, von denen 753 – also knapp die Hälfte – Juden waren. Mehr als 500 türkische Juden lebten in Berlin. Viele von ihnen fanden hier eine Beschäftigung in der Herstellung und im Vertrieb von Teppichen, im Tabakhandel sowie im Import landwirtschaftlicher Güter aus der Türkei. Einige von ihnen gründeten eigene Firmen in Berlin. Im Israelitisch-Sephardischen Verein zu Berlin e.V. schlossen sich die türkischen Juden zusammen.
Auch in der 1927 gegründeten Türkischen Handelskammer waren jüdische Geschäftsleute vertreten. 1931 fungierten Albert Alfandary und Nissim Zacouto als stellvertretende Vorstände. Die Jüdische Gemeinde zu Berlin widmete 1937 dem Religionsphilosophen und geistigen Führer der Juden Sefarads, Don Jizchak Abravanel eine Ausstellung in ihrem Museum in der Oranienburgerstrasse 31. Als Leihgabe des Israelitisch-Sephardischen Vereins zu Berlin wurde ihre Torarolle in der Ausstellung gezeigt. Über diese Ausstellung schrieb das Jüdische Gemeindeblatt Hamburg am 16. Juli 1937: „Die am 13. Juni feierlich eröffnete Abravanel-Ausstellung im Jüdischen Museum in Berlin erscheint wie eine kleine Sefardeninsel inmitten der aschkenasischen Umwelt.“

Entrechtung – Vertreibung – Mord

Im Mai 1939 lebten noch 263 Juden türkischer Staatsangehörigkeit in Deutschland, 101 von ihnen in Berlin. Manche konnten Deutschland rechtzeitig verlassen, so die junge Familie Eskenazi. Albert Eskenazi, seine Ehefrau Gertrud und ihr zwei Monate alter Sohn Nissin finden sich auf der Passagierliste der MS. St. Louis. Das Linienschiff verließ am 13. Mai 1939 mit 906 jüdischen Flüchtlingen an Bord Hamburg in Richtung USA. Dort jedoch wurde der MS. St. Louis die Anlegeerlaubnis verweigert, und das Schiff musste im Juni 1939 mit allen 906 Flüchtlingen nach Europa zurückkehren. In Antwerpen konnten die Passagiere das Schiff verlassen. Die Mehrheit von ihnen geriet 1940 mit der deutschen Besetzung Belgiens, der Niederlande und Frankreich in den nationalsozialistischen Herrschaftsbereich. Nur etwa die Hälfte von ihnen überlebte die Shoa. Von der Familie Eskenazi überlebten Albert und sein kleiner Sohn Nissin. Auch Familienangehörige des in Berlin lebenden türkischen Staatsbürgers Sabetai Savariego verließen Deutschland nach 1933. Ihre Zielorte waren die Türkei, New York, Rio de Janeiro, Palästina oder Tanger in Marokko. Sabetai Savariego und seine Ehefrau Sol, geb. Cohn, die wie er in Konstantinopel geboren waren, gelang die Flucht aus Deutschland nicht mehr. Sie wurden 1942 in das Ghetto Riga deportiert und dort ermordet. Zuvor hatten sie ihre türkische Staatsbürgerschaft verloren und waren als Staatenlose registriert. Ein Grossteil der im Ausland lebenden türkischen Juden wurde von der türkischen Regierung
ausgebürgert und galt als staatenlos, was für die meisten von ihnen das sichere Todesurteil bedeutete. Diese Ausbürgerungspolitik war jedoch ursprünglich nicht im Zusammenhang zur nationalsozialistischen Politik angelegt, auch waren von den Ausbürgerungen nicht nur jüdische Türken betroffen. Die Stärkung des türkischen Nationalismus sollte auch der 1923 ausgerufenen türkischen Republik die notwendige Stärke im Innern des Landes verleihen. Vereinzelt kam es zu Protesten des türkischen Botschafters in Berlin gegen die Verletzung der Rechte türkisch jüdischer Staatsbürger in Deutschland. Im Herbst 1942 forderte das Deutsche Reich die neutralen und mit Deutschland verbündeten Staaten auf, ihre jüdischen Staatsangehörigen aus dem deutschen Machtbereich zu repatriieren, andernfalls würden sie in die „allgemeinen Judenmassnahmen einbezogen“ werden. Im Falle der Türkei wurde die Frist bis zum 10. Oktober 1943 mehrfach verlängert. Das Schicksal vieler türkischer Juden während der Nazizeit bleibt unbekannt. Sicher ist, dass über 100 Mitglieder des Israelitisch-ephardischen Vereins zu Berlin von dem nationalsozialistischen Regime ermordet wurden.

Neuanfang 2006 –
Die Synagoge Tifereth Israel

Heute leben in Berlin etwa 1000 sefardische Juden. Überwiegend stammen sie aus dem Kaukasus und sind seit 1989 im Zuge der verstärkten Einwanderung aus der ehemaligen Sowjetunion nach Berlin gekommen.

Auch sefardische Juden aus Israel und Frankreich leben in Berlin. Innerhalb der Berliner Jüdischen Gemeinde stellen die Sefarden eine Minderheit von weniger als 10 Prozent dar.

Im April 2006 wurde in Berlin die erste Synagoge in Deutschland nach der Shoa, in der nach sefardischem Ritus gebetet wird, feierlich eingeweiht. Die Synagoge Tifereth Israel ist das achte Gotteshaus der Jüdischen Gemeinde zu Berlin und liegt in der Passauer Strasse in Berlin – Charlottenburg.

Hier trifft sich seit Oktober 2009 auch der sefardische Frauenverein, der offen steht für sefardische wie auch für aschkenasische Frauen und die Möglichkeit des gegenseitigen Austausches und Beisammenseins bietet.

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