abgedreht! Bühnenwelten – Lebenswelten, Chaim Heinz Fenchel (1906–1988)
- 02.10.2015 - 10.04.2016
abgedreht! Bühnenwelten-Lebenswelten
Als im Februar 1937 der Berliner Heinz Fenchel in Haifa an Land ging, brachte er ins Land unzählige Zeichnungen aus der Frühzeit des Films: Entwürfe für die Sets von Liebes- Action- und Kriminalfilmen, sowie witziger Großstadt-Komödien, häufig im Revuetheater-Milieu spielend. Für 45 Spielfilme hatte Heinz Fenchel die Bühnen geschaffen. Sie machten ihn zu einem vielbeschäftigten und erfolgreichen Filmset-Designer der Weimarer Republik.
1933 war Heinz Fenchels Karriere als Filmarchitekt beendet, in Deutschland erhielt er Berufsverbot. Sein letzter Film-Set war die niederländische Produktion Komedie om Geld (1936), deren Regisseur Max Ophüls und Kameramann Eugen Schüfftan ebenfalls aus Deutschland stammten. Nach dem der Film abgedreht war, entschied sich jeder von ihnen für ein anderes Emigrationsland. Heinz Fenchel beschloss, nach Palästina auszuwandern, wohlwissend, dass er in einem Land ohne nennenswerte Filmindustrie nie wieder als Set-Designer werde arbeiten können.
In Palästina profilierte er sich als innovativer Architekt und Designer für Interieurs. In Tel Aviv schuf er Cafés, Bars und Ladengeschäfte sowie private Residenzen und luxuriöse Hotels nicht nur in Israel und auch in Afrika: Lebenswelten, die von den Bühnenwelten seiner Filmsets nicht zu trennen sind, Zeugnisse eines Künstlers, dessen Karriere im Berlin der Weimarer Republik begann und dessen Schaffen in Israel seine Vollendung fand.
Dr. Chana Schütz
Heinz Fenchel ca. Herbst 1937 – Auswanderung nach Palästina
David Ben-Gurion
»Viele haben mich angegriffen, weil ich mich mit Ihnen treffe und weil ich zwischen Ihrem Deutschland und Hitlers Deutschland einen Unterschied mache. Ich glaube, es entspricht nicht [den Werten der] jüdischen Nation,eine ganze Nation kollektiv zu beschuldigen und dies immer wieder und wieder zu wiederholen. Mein Gewissen ist rein, ich erfülle meine Pflicht als Jude und als Mensch.«
Chaim Heinz Fenchel 1906–1988
1906
Am 11. September in Berlin geboren als Sohn von Carl (1873–1942) und Gertrude Fenchel (geb. Hirsch, 1881–1926).
1922–1927
Studium der Architektur an der Hochschule der Bildenden Künste in Berlin-Charlottenburg.
1928
Assistent des renommierten Bühnenbildners Ernst Stern in Berlin.
1928-1933
arbeitet an Filmsets von 37 Spielfilm-Produktionen vor allem für die Ondra Lamac Film GmbH, Berlin
1933
Berufsverbot in Deutschland, arbeitet an Filmsets in Österreich, der Tschechoslowakei, Frankreich
1934-1935
und Dänemark, Regie: Paul Fejos
1936
Letztes Filmprojekt: die niederländische Produktion Komedie om Geld, Regie: Max Ophüls
1937
im Februar Ankunft in Haifa
1938
Café Pilz in Tel Aviv
1938–1956
Gestaltung von Cafés und Ladengeschäften in Tel Aviv sowie Privathäusern an der Mittelmeerküste
1953
Dan Hotel Tel Aviv, Eröffnung am 3. September 1953
1954
Exklusive Möbel als israelisches Exportprojekt in die USA.
1957
Alcheh French Bookstore in Tel Aviv, Rokach Preis der Stadt Tel Aviv, 1961
1958
Innengestaltung des israelischen Pavillons auf der Weltausstellung in Brüssel. Romi und Hellen Goldmuntz Museum in Netanya (heute Gästehaus der israelischen Armee); Innengestaltung des Ducor Palace Hotels in Monrovia, Liberia.
1962–1969
Erweiterungsbauten Dan Hotel Tel Aviv und King David Hotel, Jerusalem; Innengestaltung des Dan Carmel Hotels in Haifa; Privatresidenzen und Hotel Ivoire Komplex in Abidjan, Elfenbeinküste.
1964
El Al Niederlassung in Tel Aviv
1978
Vollendung des Ivoire Komplexes mit Kongress- Zentrum in Abidjan, Elfenbeinküste, Wohneinheiten Dan Caesarea Hotel
1981–1986
Panorama Center und Dan Panorama Hotel in Haifa.
1988
Chaim Heinz Fenchel stirbt am 22. Juni in Tel Aviv.
Dr. Chana Schütz
Transit und Ankunft
„ … es ist wohl das Schönste und Beste hier im Lande; ein Judenproblem wie in Europa gibt es nicht!“ schrieb Heinz Fenchel im September 1937: „Sieben Monate lang haben wir nichts dergleichen diskutiert und gehört“.
Ganz bewusst und aus zionistischer Überzeugung hatte sich Heinz Fenchel entschieden, nach Eretz Israel auszuwandern. Es war das einzige Land, wo er als Jude willkommen war und nicht fürchten musste, wieder fliehen zu müssen. Dafür nahm er in Kauf, eine erfolgreiche Karriere im Filmgeschäft hinter sich zu lassen, denn eine nennenswerte Filmindustrie gab es in den 1930er Jahren in Palästina nicht. In Europa hatte er sich als Set-Designer einen Namen gemacht; für 45 deutsche und internationale Spielfilmproduktionen hatte er die Bauten entworfen, für Liebes- und Actionfilme, für Kriminalfilme, wie den ersten deutschen Edgar Wallace-Verfilmungen – sowie vor allem für witzige Großstadt-Komödien, häufig im Revuetheater-Milieu spielend. Er hatte Bühnenwelten geschaffen. Doch Glamour, Geld, ein amerikanisches Auto und eine Wohnung im eleganten Berliner Tiergarten-Viertel, das war nun vorbei. Heinz Fenchel tauschte seinen amerikanischen Buick gegen einen „netten“ Fiat, packte Entwürfe, Fotos, Premiereneinladungen etc. in den Kofferraum und fuhr mit dem Schiff von Triest aus nach Palästina. Nun lebte er unter Juden: „Die jüdischen Policemen sind robust und grobschnäuzig wie überall“, bemerkte er, „die jüdischen Arbeiter sind kräftig, ordinär, spucken und trinken (allerdings keinen Alkohol) wie überall auf der Welt, die jüdischen Beamten auf Post- und Verwaltung sind meist unhöflich, dick und gefrässig, wie auf unseren Finanzämtern s.A. [seligen Angedenkens, Anm. ChanaSchütz]“. Und es gibt die „reichen Leute“, die elegant angezogen in den Kaffeehäusern sitzen und „reaktionäre Kapitalisten“ sind. Und dann waren da „die Jeckes (deutsche Juden)“, mit denen, so Fenchel, „auch alle mitteleuropäischen guten und schlechten Sitten“ ins Land kamen. „Als schlecht muss man vom Standpunkt des Landes allen europäischen Luxus betrachten!“, so seine Zustandsbeschreibung von Tel Aviv, wobei Fenchel nicht nur auf „bäuerliche Bierstuben, Bars, Innenarchitektur-Geschäfte“ hinwies, sondern auch auf „elegante Kaffees, luxurieuse Privatbankhäuser, Hotels, Läden in jeder Branche, die wir sonst in der Leipzigerstraße und Tauentzienstraße finden!“. Fenchel wusste, wie Tel Aviv nicht werden sollte. Aus „unserer Stadt“, wie er an mehreren Stellen in diesem Bericht schreibt, sollte kein provinzielles Neu-Berlin entstehen, Tel Aviv sollte anders sein als das alte Europa, eine moderne Stadt am Mittelmeer.
Der erste Auftrag des knapp 30jährigen war 1938 das Café Pilz an der Rechov Ha-Yarkon nahe dem Strand von Tel Aviv. Es war das erste Kaffeehaus in Palästina, dessen Terrasse sich weit zum Mittelmeer öffnete. In seiner gediegenen und geschmackvollen Eleganz avancierte es schnell zum Mittelpunkt der aufblühenden Metropole Tel Aviv. Viele weitere folgten..
Dr. Chana Schütz
Tel Aviv
Entlang der Straßen Allenby und Ben Yehuda in Tel Aviv schuf Heinz Fenchel in den 1940er und 1950er Jahren Cafés, Bars sowie Ladengeschäfte. Die Schaufenster dieser Geschäfte, unter ihnen gab es auch ein speziellen Kinderschuhladen namens Pil (Elefant), bestimmten mit ihren hebräischen Schriftzügen das Stadtbild der jüdischen Stadt. Mit dem Bau des Dan Tel Aviv Hotels, das 1953 eröffnet wurde, avancierte Fenchel zum Architekten von eleganten Privathäusern und vor allem luxuriöser Hotels, nicht allein in Israel. In Liberia schuf er mit dem Ducor Palace Hotel in Monrovia (1958) und dem Hotel Ivoire an der Elfenbeinküste (1963–1970) die schönsten Hotels in Afrika.
Dr. Chana Schütz
Afrika
In den 1960er Jahre konnte Heinz Fenchel noch einmal an seine Arbeit als Filmset-Designer anknüpfen. In enger kollegialer Zusammenarbeit mit dem israelischen Unternehmer Moshe Mayer gestaltete er die Inneneinrichtungen des Ducor Palace Hotel in Monrovia, Liberia und des Hotel Ivoire in Abidjan, Elfenbeinküste. Beteiligt waren namhafte israelische Künstler: David Schneuer, Perli Pelzig, Daniel Nahum und Yohanan Simon, die schon an den Hotelprojekten in Israel mit ihm zusammengearbeitet hatten. Das luxuriöse Hotel Ivoire in Abidjan bestehend aus einem 13geschossigen Gebäude mit 400 Zimmern und einem 25geschossigen Hochhaus mit 200 Zimmern erstreckt sich entlang eines gigantischen Swimmingpools von 7.500 Quadratmetern und war in den 1960er und 1970er Jahren mit seinen Bars, Restaurants, einem Casino und sogar einer Eiskunsthalle das Schmuckstück der sogenannten afrikanischen Riviera. In den 1990er Jahren verfiel das Areal. 2011 ist Hotel und Kongresszentrum restauriert worden.
Dr. Chana Schütz
Weiterführende Informationen
Weiterführende Informationen zu Begleitveranstaltungen, Ausstellungskatalogen, Pressemitteilungen finden Sie auf den jeweiligen Seiten unserer Homepage.
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- Begleitveranstaltungen
- Pressemitteilung
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In Kooperation mit
Bild 1: Blick in die Ausstellung(c) CJ_Anna Fischer
Bild 2: Blick in die Ausstellung(c) CJ_Anna Fischer
Galerie: Einblicke in die Ausstellung (c) CJ Anna Fischer
Impressum
ABGEDREHT! Bühnenwelten – Lebenswelten
Chaim Heinz Fenchel (1906-1988)
Eine Ausstellung der
Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum
2. Oktober 2015 bis 10. April 2016
Projektleitung | Kuratorin
Chana Schütz
Ausstellungsgestaltung
Tina Raccah
Amelie Thierfelder
Projektkoordination | Bildredaktion
Anna Fischer
Ausstellungsbüro
Stephan Kummer
Mitarbeit
Theresa Schatt
Lennart Gard
Ausstellungstechnik
Karl Vollprecht
Textredaktion
Chana Schütz
Anna Fischer
Stephan Kummer
Übersetzungen
Belinda Cooper (Deutsch-Englisch)
Öffentlichkeitsarbeit
Wiebke Trebbin
Videoinstallation
Johannes Fichtner
Björn Koll
Florian Schulz
Audioinstallation / Sprecher
Ben Zimmermann
Passepartouts und Rahmung
Ronald Koltermann
Dieter Schultz
Lichtinstallation
Victor Kégli, Berlin
Ausstellungsaufbau und Drucke
form art Berlin
Die Ausstellung wurde finanziert durch die Beauftragte für Kultur und
Medien, die Ursula Lachnit-Fixon Stiftung und Michael Bob.
Sie entstand in Kooperation mit der Deutsche Kinemathek – Museum für
Film und Fernsehen, Berlin und dem Rubin Museum, Tel Aviv.
Wir danken der Familie Federmann für die großzügige Unterstützung und
die Realisierung des Begleitbandes.
Darüber hinaus gilt unser Dank den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
der Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum, die das Projekt
in vielerlei Hinsicht unterstützt haben.