Gisi Fleischmann (1892–1944) Ein jüdisches Schicksal aus Bratislava
- 11.09.2014 - 19.01.2015
kuratiert von Anna Grusková
Anna Grusková
Gisi Fleischmann
Die Ausstellung Gisi Fleischmann – ein jüdisches Schicksal präsentierte der deutschen Öffentlichkeit zum ersten Mal eine Frau, auf die auch Rabbis hörten, die eine unkonventionelle Persönlichkeit des jüdischen Lebens und des antifaschistischen Widerstandes in der Slowakei war.
Die Ausstellung zeigte zum ersten Mal viele bis dahin unbekannte Fakten und Dokumente aus dem Leben der jüdischen Aktivistin aus Bratislava, die eine der führenden Persönlichkeiten im Kampf um die Rettung der jüdischen Kommunität in der Slowakei war.
Ihr Leben war voller Paradoxien. Sie wurde als Gisela Genendel Fischer 1892 in einer orthodoxen jüdischen Familie in Bratislava geboren, ihr Ideal war jedoch das Gelobte Land – Erec Israel, damaliges Palästina.
Anna Grusková
Gisi Fleischmann
Sie schickte ihre beiden Töchter dorthin, die jedoch darunter gelitten haben, dass die Mutter nicht mit ihnen weggegangen ist, sondern in der neuentstandenen Slowakischen Republik, einem Sattelitenstaat von Nazideutschland, geblieben ist, um weiterhin ihrer Kommunität zu helfen. Als ehemalige Vorsitzende der slowakischen Filiale der WIZO (Internationale zionistische Frauenorganisation) arbeitete sie in der einzigen erlaubten jüdischen Organisation – der „Judenzentrale“, die gezwungenermaßen die Deportationen mitorganisierte, war aber gleichzeitig Chefin der illegalen „Arbeitsgruppe“, welche versucht hatte, die Deportationen zu stoppen.
Das erhabene Ziel verfolgte sie auf vielerlei Art und Weise – darunter auch durch Bestechung von slowakischen und deutschen Beamten. Sie half Juden in ganz Europa, sich selbst konnte sie jedoch nicht helfen. Im Jahr 1944 wurde sie mit der Bemerkung R. U. – Rückkehr unerwünscht – in einen Viehwaggon getrieben, der zu einem grauenvollen Ort mit dem poetischen Namen Oświęcim (der Name ist von altpolnisch święty abgeleitet, was so viel wie „Heiliger“ bedeutet), nach Auschwitz fuhr…
Gisi Fleischmann
Verzweifle nicht, Mutter ist da!
Mit diesem Satz beendet Martin Buber einen seiner wunderbaren Artikel. Er ruft die Mutter, damit sie für das jüdische Volk, aber vor allem für unsere Kinder in diesen schwierigen Zeiten eine Stütze der Welt wäre. Buber schreibt: „Lehrt eure Kinder die jüdischen Werte, bemüht euch, ihr Leben jüdisch zu gestalten, aber das reicht nicht, ihr musst bei euch selbst anfangen. Israel ist mehr als nur Form und Inhalt, es will, dass wir es in unserer ganzen Persönlichkeit verwirklichen, im Umgang mit unserem Nächsten, im Umgang mit der Gemeinde.“
Mit diesen Worten zeichnete er die Rolle der jüdischen Erlösung aktueller denn je. Man muss wissen: nicht darin besteht unser Judentum, dass wir Seder machen und Matzen zu Hause haben. Wie leicht kann dies alles zu einer leeren Form werden, einer Geste. Gerade zu diesen Feiertagen, wenn wir uns mit der Kinderseele auseinandersetzen, wenn wir uns sagen, wie wir den vier Typen von Kindern antworten sollen: dem neugierigen, dem böswilligen, dem einfachen Kind, das nicht zu fragen weiß, müssten wir uns, jüdische Mütter fragen, ob wir in der Lage sind, unserem Kind alle Fragen zu beantworten. Das werden wir erst können, wenn wir uns selbst über unser Judentum im Klaren sein werden und über unsere Beziehungen zu unserem Volk.
Nur dann, wenn wir wissen werden, dass Jude zu sein nicht nur ein Schicksal bedeutet, sondern eine Mission zu erfüllen, eine heilige Aufgabe, die man im Alltag – hier vielleicht in erster Reihe – verwirklichen muss. Erst dann werden wir, die jüdischen Mütter, in dieser so schicksalhaften Zeit unserem Kind eine Stütze sein können, wir werden ihm den Weg zeigen und ebnen.
Erst dann, wenn wir es können werden, aus der jüdischen Tragik des Heute, einen Impuls für neue Kräfte zu schöpfen, die unser Volk aufbauen, Palästina, wenn wir erkennen, dass unsere jüdische Kraft in den ideellen Werten besteht, nicht in den gemeinen, den materiellen, im Buch, nicht in der Faust, aber wenn wir es können werden, es in die Hirne und Seelen unserer Kinder einzuschärfen, dann werden wir unsere Rolle richtig verstehen, dann erst wird es vielleicht wirklich möglich sein zu sagen:
Verzweifle nicht, Mutter ist da.