Hermann Struck.

Berliner und früher Zionist

31.05.2007 – 19.08.2007

kuratiert von Chana Schütz und Ruthi Ofek

Chana Schütz

Hermann Struck

Der Berliner Künstler Hermann Struck war eine einzigartige Figur – in Deutschland und in Eretz Israel. Bekannt wurde er durch seine Radierungen von jüdischen Charakterköpfen und Porträts. Gerhart Hauptmann und Alfred Kerr, Albert Einstein, Sigmund Freud und viele andere ließen sich von ihm porträtieren ebenso wie viele seiner Künstlerkollegen, die er auch in den graphischen Künsten unterrichtete. Denn er galt als hervorragender Lehrer. Daneben schuf er Hunderte von Landschaftsbildern, die er überall in der Welt auf seinen Reisen skizziert und später in Radierungen umgesetzt hatte. Sie erschienen als Einzelblätter oder in Graphikfolgen. Als deutscher Offizier im Ersten Weltkrieg schuf er Hunderte von Lithographien vor allem von der Lebenswelt der Juden Osteuropas.

Der Berliner Jude Hermann Struck war Zionist der ersten Stunde.

Im Jahre 1903 – auf seiner Rückreise aus Eretz Israel – porträtierte er in Wien Theodor Herzl, der wenig später verstarb. Bis zur Schaffung des Staates Israel war dieses Porträt von Theodor Herzl der Inbegriff des Zionismus. Es schmückte in der Regel jede zionistische Veranstaltung, wo auch immer sie stattfand.

Chana Schütz

Hermann Struck

Hermann Struck war deutscher Zionist und er war zugleich religiöser, gesetzestreuer Jude. Im Ersten Weltkrieg vermittelte er als deutscher Offizier in Russland zwischen dem deutschen Heer und seinen Brüdern, den Juden Osteuropas. Im Jahr 1922 entschloss er sich, Deutschland zu verlassen und sich in Eretz Israel niederzulassen. In den Jahren nach 1933 half er – wo und wie er nur konnte – den Juden aus Deutschland, die vor der nationalsozialistischen Verfolgung in Eretz Israel Zuflucht suchten. Noch vor der Befreiung Europas von der Nazidiktatur starb Hermann Struck 1944 in seinem Haus in Haifa.

Um den künstlerischen Reichtum seines Werks, um ihn als Mensch und seine starke öffentliche Aktivität zu verstehen und präsentieren zu können, verbanden sich zwei Institutionen in Israel und Deutschland: das Open Museum in Tefen und das Centrum Judaicum in Berlin. Die überwiegende Zahl der Werke in dieser Ausstellung stammt aus dem Hermann-Struck-Archiv, das von Mickey Bernstein (Tel Aviv) aufbewahrt und betreut wird. Die Ausstellung will das Bild eines bedeutenden Künstlers zeigen, bedeutsam für die deutsche Kunst wie auch für die Kunst in Israel.

Eretz Israel

Hermann Struck ist der einzige international anerkannte Künstler, der sich zu Beginn der 1920er Jahre in Eretz Israel niederlässt. Sein Einfluss auf die moderne Kunstszene bleibt jedoch gering. In den 22 Jahren, die er im Lande lebt, gibt es keine Einzelausstellung seiner Werke.

Seine schon in der Nachkriegszeit in Berlin immer stärkere Vorliebe für die Kaltnadelradierung setzt er in den folgenden Jahren in den reinen, reduzierten Linien seiner Landschaftsdarstellungen fort. Langgezogene Küstenstriche, der Himmel, die Senkrechten der Palmen und die urbanen Landschaften von Jerusalem gelten seine Aufmerksamkeit. Daneben interessiert er sich für Wolkenformationen, und die besondere Intensität des Lichts regt ihn zu Ölgemälden und Aquarellen an. Wie schon bei seinen frühen Porträts interessieren ihn auch in Palästina wieder der einzelne Mensch: europäische und orientalische Juden, Araber und die jungen jüdischen Arbeiter, die den Boden bearbeiten.

Kunstpolitisch ist und bleibt Hermann Struck auch in den Jahren, die er in Eretz Israel lebt, außerordentlich engagiert. Er hat maßgeblichen Anteil an der Gründung wichtiger Kunsteinrichtungen, wie dem Tel Aviv Museum und der Neuen Bezalel, der Kunsthochschule in Jerusalem.

Bis zum Jahr 1933 verbringt Hermann Struck regelmäßig die Sommermonate in Berlin, wo er sein Atelier in der Brückenallee beibehalten hat. Seine letzten Lebensjahre sind zunehmend geprägt von Krankheiten und der wachsenden Ohnmacht angesichts der Bedrohung, denen die Juden Europas ausgesetzt sind.

Hermann Struck stirbt am 11. Januar 1944 mit dem Wissen, dass es kein jüdisches Europa mehr gibt und der Erkenntnis, dass das, was er in seinen Werken festgehalten hat, für immer zerstört ist.

Chana Schütz

Berlin

Um 1900 ist Hermann Struck als Künstler fest etabliert. Er ist auch bekannt als ausgezeichneter Techniker auf dem Gebiet der Druckgraphik. Max Liebermann, Lesser Ury und andere ziehen ihn zu Rate. Lovis Corinth sagt über ihn sogar, „er hat mein Können für die Nadel wieder erobert.“ Im Jahr 1908 verfasst Hermann Struck ein Buch über Die Kunst des Radierens, das bis 1923 mehrere, immer wieder verbesserte Auflagen erlebt. Es wendet sich gleichermaßen an ausübende Künstler, an interessierte Laien und an Sammler von Graphik. Zum Geleit schreibt sein Freund, der Theaterkritiker Alfred Kerr ein Gedicht: Er nennt es „Lieber Struck…“. Dichter, Maler, Schriftsteller, Gelehrte und Politiker lassen sich von Hermann Struck porträtieren. In seinen Bildnissen spiegelt sich das liberale, aufgeklärte Bürgertum der Kaiserzeit. Zur gleichen Zeit zeichnet er Juden aus Osteuropa, von denen viele in den Berliner Elendsquartieren jenseits des Alexanderplatzes leben. In seinen jüdischen Charakterköpfen wird seine Ehrfurcht vor jüdischer Gelehrsamkeit und Tradition deutlich, die auch in den Porträts von jüdischen Gelehrten zum Ausdruck kommt. Auch Hermann Struck ist gesetzestreuer Jude, lernt täglich die Schriften des Judentums und außerdem ist er Zionist.

Chana Schütz

Berlin

Im Jahre 1903 bereist Hermann Struck zum ersten Mal Palästina. Die modernen jüdischen Dörfer, aber auch die freie unbebaute Natur beeinflussen sein Werk nachhaltig. Martin Buber nennt die Bilder, die auf dieser Reise entstehen, die „ersten wirklich künstlerischen Palästinalandschaften“. .Auf seinem Rückweg porträtiert er in Wien Theodor Herzl, ein Werk, das vor allem nach dem Tod der charismatischen jüdischen Leitfigur zum Inbegriff des Zionismus wird. Bis zur Gründung des Staates Israel schmückt es in der Regel jede zionistische Veranstaltung, wo auch immer sie stattfindet.

Als Künstler konzentriert sich Hermann Struck auf das Porträt und die Landschaft, seine Technik ist die Radierung in allen ihren Finessen. Als orthodoxer Jude hält er sich an die zuweilen strengen Religionsregeln und macht dabei nie Kompromisse. Als Zionist ist er davon überzeugt, dass er letztlich dazu bestimmt ist, seine Heimat im Lande Israel zu finden.

Der erste Weltkrieg

Wie viele deutsche Juden, meldet sich auch Hermann Struck im Weltkrieg freiwillig als Soldat. Er tut seinen Dienst an der Ostfront und lernt hier zum ersten Mal die Lebenswelt der Juden Osteuropas kennen. In diesen Jahren entstehen die meisten seiner künstlerischen Arbeiten. Es sind vor allem Lithografien, die in der Druckerei des Oberbefehlshaber Ost in Kowno gedruckt werden und die später in vielen Publikationen weite Verbreitung finden. Hermann Struck ist als Zensor und Übersetzer für Jiddisch eingesetzt. Von November 1916 bis Juli 1917 dient er an der russischen Front und wird zum Leutnant befördert. Danach leitet er bis zu seiner Entlassung am 20. Januar 1918 die Abteilung für Jüdische Angelegenheiten beim Oberbefehlshaber Ost. An den Friedensverhandlungen in Versailles nimmt er als Vertreter der deutschen Seite als Sachverständiger für jüdische Fragen teil. Hermann Struck wird nicht nur zum Chronisten des Lebens der Ostjuden, er skizziert auch das Leben der deutschen Soldaten in Schützengräben und Unterständen. Immer ist es der einzelne Mensch, den er porträtiert. Eine besondere Aufgabe wird ihm von dem Anthropologen Felix von Luschan zugeteilt: Er soll die Köpfe von britischen und französischen Kriegsgefangenen, die im sogenannten Halbmondlager bei Wünsdorf in der Mark Brandenburg leben, in Bildnissen darstellen, um ihre besonderen „rassischen Merkmale“ festzuhalten. In Wünsdorf zeichnet er auch die Moschee, die 1915 für die muslimischen Gefangenen errichtet wurde. Hermann Struck, der Landschaftszeichner, zeigt in Lithographien auch das Leid, den Tod und die Zerstörung, die die Kriegsmaschinerie in die Länder Osteuropas gebracht haben. Diese Bilder enthalten sich jeder emotionalen Wertung und zeigen ausschließlich, was der Künstler mit seinen eigenen Augen gesehen hat.
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