Das Scheunenviertelpogrom jährt sich am 05. November 2023 zum 100. Mal.
Zu diesem erschütternden Anlass veranstaltet Die Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum einen Gedenktag. Wir begeben uns auf die Suche nach den Spuren der zerstörten jüdischen und migrantischen Stadtgesellschaft des Scheunenviertels. Durch ein vielfältiges Programm mit Führungen, Film- und Podiumsdiskussion wollen wir nicht nur einen Eindruck des vergessenen dichten Lebens im Scheunenviertel gewinnen. Wir stellen uns auch die Frage, wie wir in Zukunft eine standhafte, verflochtene und solidarische Erinnerung im städtischen Raum verankern können.
11:00–13:00 Uhr
Stadtspaziergang
„Bunt, engagiert und gefährdet“: jüdisches Leben in der Spandauer Vorstadt und im Scheunenviertel zwischen den Weltkriegen
Wir spüren den Orten nach, an denen alteingesessene deutsche Judinnen und Juden und jüdische Migrant*innen aus Osteuropa sich begegneten. Die Letzten suchten in Folge von Krieg, Hunger und Vertreibung in Berlin eine neue Heimat. Wir entdecken die einstige Vielfalt an Theatern, Geschäften, Schulen, Vereinen und Synagogen, in denen sich das Leben dieser Menschen abspielte. Und wir erfahren über das Scheunenviertelpogrom 1923 und die wehrhafte Selbstverteidigung jüdischer Kriegsveteranen.
14:00–16:00 Uhr
Stadtspaziergang
Start der Führung:
Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Linienstraße 227 in 10178 Berlin
„Spurensuche: Jüdische und andere Berliner:innen in der Spandauer Vorstadt“ mit Studierenden der Europa-Universität Viadrina
Welche Geschichten jüdischer, osteuropäischer und migrantischer Bewohner:innen erzählen Straßen und Häuser der Spandauer Vorstadt und des Scheunenviertels in Berlin Mitte? Studierende der Europa-Universität Viadrina nehmen uns auf die Spuren des jüdischen und queeren Lebens in den 1920er und 1930er Jahren mit, berichten über das jüdische Leben in der DDR oder geben Einblick in die Prostitutionsdebatten der Weimarer Republik aus der jüdischen Perspektive.
16:30–18:30 Uhr
Film- und Podiumsdiskussion
Filmvorführung „Berlin Totale: Almstadtstraße“, 1979 und Podiumsdiskussion „Jüdische Sichtbarkeit im Stadtraum“
In Erinnerung an das anti-jüdische Pogrom im Scheunenviertel am 05. November 1923 zeigen wir den DDR-Dokumentarfilm über die Almstadtstraße von Veronika Otten. Die Almstadtstraße hieß bis 1952 Grenadierstraße und war überwiegend von Jüdinnen und Juden aus Osteuropa bewohnt. Im Anschluss an den Film diskutieren Klaus Bädicker, der Dichter und Musiker Dmitri Dragilew und die Historikerin Elena Solominski über Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit der osteuropäischen jüdischen Geschichte und Gegenwart in der Spandauer Vorstadt und im Berliner Stadtraum.
Am 05. November 1923 kam es im Berliner Scheunenviertel – einem Arbeiterviertel mit einer sichtbaren osteuropäisch-jüdischen Bevölkerung zu einem Pogrom. Fast zwei Tage lang zogen Berliner Bürger, angestachelt durch Agitatoren, die die Sorgen der Inflationskrise ausnutzten, durch die Straßen und verübten Gewalttaten. Deutsche sowie internationale Medien berichteten erschrocken darüber, wie jüdische Menschen auf offener Straße verprügelt, wie ihre Geschäfte und Wohnungen geplündert wurden und dass die Polizei fast tatenlos danebenstand.
Solche Pogrombilder kannte man damals aus Osteuropa, aber dass solche Gewalt in Deutschland im 20. Jahrhundert geschehen könnte, war für viele unvorstellbar. An das Datum von dem Novemberpogrom 15 Jahre später, am 09. November 1938, erinnern wir uns heute jährlich. Doch diese massiven antisemitischen Ausschreitungen, verübt von der Berliner Bevölkerung, sind aus dem öffentlichen Geschichtsbewusstsein fast verschwunden.
Berichterstattungen:
Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)
Termin:
05.11.2023
Uhrzeit:
11:00 – 18:30 Uhr
Ort:
Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum
Oranienburger Straße 28–30, 10117 Berlin
Repräsentantensaal / 2. Etage
Anmeldung:
bildung@centrumjudaicum.de
In Kooperation mit der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) und
mit freundlicher Unterstützung von Aktionsfonds Zentrum – Demokratie in der Mitte.