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Neue synagoge berlin

Auf der Suche nach einer verlorenen Sammlung
Das Berliner Jüdische Museum (1933-1938)

10.09.2011 – 30.12.2011

Auf der Suche nach einer Verlorenen Sammlung
Das Berliner Jüdische Museum (1933-1938)

Am 24. Januar 1933 wurde in der Oranienburger Straße 31 das Berliner Jüdische Museum feierlich eröffnet. Es war weltweit das erste jüdische Museum der Moderne, konzipiert als Museum jüdischer Kunst und Kultur für die deutsche Reichshauptstadt Berlin. Nur eine Woche später übernahmen die Nationalsozialisten die Macht in Deutschland, und es folgte die brutale Verdrängung der Juden aus der deutschen Gesellschaft und Kultur. Unter diesen widrigen Umständen war dem Berliner Jüdischen Museum jedoch eine Art Scheinblüte beschieden und seine Einfluss auf die jüdische Gemeinschaft war enorm. So gelang es, in den fünf Jahren seiner Existenz – bis zu seiner gewaltsamen Schließung am 10. November 1938 – eine Reihe von wichtigen, im damaligen Deutschland einzigartigen, Ausstellungen durchzuführen und eine außerordentliche Sammlung aufzubauen. Die Suche und die Präsentation von herausragenden Kunstwerken aus der Sammlung des ehemaligen Berliner Jüdischen Museums stehen im Zentrum dieser Ausstellung. Das Centrum Judaicum sieht sich dem Erbe dieses ersten jüdischen Museums in Berlin, das sich in unmittelbarer Nachbarschaft zur Neuen Synagoge, im Obergeschoss des Hauses Oranienburger Straße 31 befand, in besonderer Weise verbunden. Wir wollen mit dieser Ausstellung an eine Institution der Berliner Jüdischen Gemeinde erinnern, die in schwieriger Zeit den bedrängten Juden dieser Stadt gleichermaßen Liebe zur Kunst wie Zuflucht geboten hat.

Das Jüdische Museum und
seine Aktivitäten

Der Machtantritt der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 – eine Woche nach der Museumseröffnung – veränderte das Leben der Berliner Juden radikal und bestimmte auch Inhalt und Präsentation von Ausstellungen und Aktivitäten des Berliner Jüdischen Museums. In den nächsten fünf Jahren war das Jüdische Museum in der Oranienburger Straße einer der wenigen Orte in Deutschland, wo Werke jüdischer Künstler gesammelt und öffentlich ausgestellt wurden. Einigen widmete das Museum Einzel-Ausstellungen, wobei die bedeutendste Schau vermutlich die Max-Liebermann-Gedächtnisausstellung vom Februar 1936 war. Das Berliner Jüdische Museum war damals der einzige Ort in Berlin, der an den weltberühmten, ein Jahr zuvor verstorbenen, Maler ehrend erinnerte. Daneben bot das Jüdische Museum in seinen Frühjahrsausstellungen den in Berlin lebenden Künstlern praktische Künstlerhilfe und zeigte Ausstellungen über bedeutende Gelehrte der jüdischen Geschichte, über Maimonides (1935), Don Jizchaq Abrabanel (1937) und Akiba Eger (1937). Diese Ausstellungen, zu der auch die Schau Unsere Ahnen (1936) gehörte, wirkten identitätsstiftend. So wurde das Jüdische Museum im Laufe seiner kurzen Existenz auch zu einem Ort des Lernens, der jüdische junge Menschen sowohl mit Kunst als auch mit jüdischer Praxis und Werten vertraut machte – ein Zufluchtsort, der den Verhältnissen widerstand.

Das Israel Museum, Jerusalem, gibt Max Liebermanns Gemälde
„Die Heimkehr des Tobias“ an die Familie des Künstlers zurück

Im August 2011 wurde Max Liebermanns Gemälde „Die Rückkehr des Tobias“ vom Israel Museum, Jerusalem, an die Erben von Max und Martha Liebermann zurückgegeben. In der am 10. September 2011 eröffneten Ausstellung des Centrum Judaicum schließt sich der Kreis: Die Rückkehr des Tobias kehrt an seinen Ursprung und zur Familie des Künstlers zurück.

Das Gemälde „Die Rückkehr des Tobias“ entstand im Jahr 1934 und ist das letzte Werk von der Hand Max Liebermanns. Martha Lieberman, die Witwe des Künstlers, lieh es für die Liebermann-Gedenkausstellung des Jüdischen Museums in Berlin im Jahr 1936 aus. Dort verblieb es bis zur gewaltsamen Schließung des Museums am 10. November 1938 und der Beschlagnahme der Bestände durch die Nationalsozialisten. Da das Gemälde nach Kriegsende keinem Eigentümer zugeordnet werden konnte, wurde es zusammen mit zahlreichen anderen Objekten aus dem Jüdischen Museum an die IRSO (Jewish Restitution Successor Organisation) überstellt, die es schließlich an das Bezalel National Museum, das heutige Israel Museum, Jerusalem, übergab. Wegen einer irrtümlichen Zuordnung zur Sammlung des bereits 1933 nach Palästina emigrierten Verlegers Salman Schocken blieb die wahre Provenienz des Gemäldes noch bei Ausstellungen im Jahr 1997 in Berlin und im Jahr 2008 in Jerusalem unentdeckt.

Erst im Zusammenhang mit der Vorbereitung der Ausstellung „Auf der Suche nach einer verlorenen Sammlung – Das Berliner Jüdische Museum (1933-1938)“ durch die Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum konnte die Herkunft definitiv geklärt werden. Danach verständigten sich die Nachkommen Max und Martha Liebermanns mit dem Israel Museum sehr schnell und unkompliziert über die Rückgabe.

Ein wiedergefundener Schatz
– Die Bilder des Berliner
Jüdischen Museums gerettet

Mit dieser Nachricht überraschte Franz Landsberger, letzter Direktor des Berliner Jüdischen Museums, am 27. Dezember 1946, die Leser der deutschsprachigen New Yorker Zeitung Aufbau. Über 280 Gemälde des Berliner Jüdischen Museums, das am 10. November 1938 von den Nazi-Behörden gewaltsam geschlossen worden war, waren nach Kriegsende 1945 in Berlin gefunden worden. Eine repräsentative Auswahl ist nun hier – auf der ehemaligen Frauenempore der Neuen Synagoge – ausgestellt, darunter Werke von Moritz Oppenheim, Max Liebermann, Lesser Ury, Eugen Spiro, Issai Kulvianski, Max Band, Moise Kisling und Leonid Pasternak. Ein Kaleidoskop europäisch-jüdischer Kunst vor dem 2. Weltkrieg Sammlungen des Israel Museums, Jerusalem und des Skirball Cultural Centers in Los Angeles.

Aus Jerusalem und Los Angeles sind einige repräsentative Werke nach Berlin in die Oranienburger Straße zurückgekehrt. Nicht dabei ist das Gemälde Jude im Gebet von Marc Chagall, 1912-1913, seit 1929 in der Kunstsammlung der Jüdischen Gemeinde. Als Schlüsselbild für die Kunst des 20. Jahrhunderts eröffnet Chagalls Jude im Gebet seit 2010 die neuein- gerichtete Ausstellung im Israel Museum in Jerusalem. Vielleicht illustriert ein Miniaturbildnis am anschaulichsten unsere Suche nach der verlorenen Sammlung des Berliner Jüdschen Museums. Die Rückseite des Porträts von Frau Enoch aus Scieracz gibt uns eine Ahnung von seiner Odyssee. Heute gehört es zur Sammlung des Centrum Judaicum ebenso wie das ergreifende Selbstporträt von Max Liebermann, das der Künstler dem Museum zu seiner Eröffnung am 24. Januar 1933 schenkte. Bei einigen Kunstwerken blieb unsere Suche allerdings ergebnislos. Die großformatigen Werke zur Bibel von Lesser Ury – einst in der Eingangshalle des Museums – sowie das Gemälde von Samuel Hirszenberg, Sie wandern, sind immer noch verschollen und so ist die Suche nach der verlorenen Sammlung des Berliner Jüdischen Museums noch lange nicht beendet.

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